Bamberger Umweltamt berät in der Ukraine

Bamberger Umweltamt berät in der Ukraine
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Internationale Hilfe für Klimaschutz und Abfallwirtschaft

Karin Köberlein vom Umweltamt der Stadt Bamberg hat auf Einladung der internationalen Städtevernetzungsplattform „Connective Cities“ ihren Arbeitsplatz für fünf Tage in die Ukraine verlegt. Seit Jahren empfängt die Stadt Bamberg Delegationen aus verschiedensten Ländern, wie etwa Marokko, Ägypten, oder sogar aus Japan, die sich zu den Themen Klimaschutz, Stadtplanung und Infrastruktur beraten lassen. Diesmal wollte man den umgekehrten Weg gehen. Die Gemeinde Shirokivska in der Ukraine will ein Konzept zur Abfallsammlung und –trennung, sowie zum Aufbau von Recyclingsystemen entwickeln und möchte sich dabei von deutschen Experten beraten lassen.

Uferpromenade der Stadt Dnjepro am Dnjepr.

Uferpromenade der Stadt Dnjepro am Dnjepr.

Karin Köberlein ist seit 1991 bei der Stadt Bamberg für diesen Bereich zuständig. Begleitet wurde sie von Hans-Martin Kröll, Bereichsleiter Logistik der Entsorgungsbetriebe Wiesbaden. In den fünf Tagen ihres Aufenthalts zeigte sich der kleinen Delegation aus Deutschland ein sehr interessantes und wechselvolles Bild des großen Landes an der Grenze zu Russland. Seit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 und dem darauffolgenden Referendum, bei dem über 90 % der Wähler für die Unabhängigkeit gestimmt hatten, ist die Ukraine ein eigenständiger Staat. Sie hat eine Fläche gut doppelt so groß wie Deutschland, aber mit nur etwa halb so vielen Einwohnern. Neben den bewaldeten Karpaten, die Weltnaturerbe der UNESCO sind, verfügt sie vor allem über Ackerböden bester Qualität. Rund 50 Prozent des angebauten Getreides wird exportiert, Erträge aus der Landwirtschaft sind ein wichtiger Wirtschaftszweig, aber auch Maschinenbau, Schwarzmetallurgie und Chemieindustrie. Dennoch leben viele Einwohner aufgrund des sehr niedrigen Lohnniveaus und der gestiegenen Lebenshaltungskosten nur knapp am Existenzminimum. „Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in diesem Land enorm auseinander“, so Karin Köberlein. In den Großstädten Dnjepro (ca. 900.000 Einwohner) und Zaporisha (ca. 700.000 Einwohner) fänden sich neben heruntergekommenen Bauten und Ruinen, prachtvolle Häuser der diversen Baustile und Epochen, wie etwa des Jugendstils, des Barocks, des unübersehbar stalinistisch-monumentalen Betonbaus, aber auch topmoderne Architektur.

Neu installierte Straßenbeleuchtung mit LED und Solarpanel in Shirokivska.

Neu installierte Straßenbeleuchtung mit LED und Solarpanel in Shirokivska.

Die Probleme mit der die Ukraine aktuell zu kämpfen hat, erklärt die Abfallexpertin Köberlein so: „Neben der Armut, der Umweltverschmutzung durch Abgase, Abwässer und Abfälle, und dem ‚Land Grabbing‘ genannten Vorgehen, gemeint ist, dass ausländische Investoren und Firmen aus Ländern wie USA, Russland und der Volksrepublik China, sich bereits auf Jahrzehnte Pachtrechte auf mehrere Millionen Hektar Land gesichert haben, ist Korruption ein Faktor, der viele Projekte scheitern lässt.“ Neue Chancen böten sich laut Köberlein jedoch mit dem Start der Dezentralisierung im April 2014. Städte und sogenannte „amalgamated Hromadas“, zusammengeschlossene Verwaltungseinheiten mehrerer Dörfer, brächten neue Perspektiven. So habe es der erst dieses Jahr gewählte Bürgermeister von Shirokivska AH, Denis Korotenko, bereits jetzt geschafft, viele Straßenzüge seiner Gemeinde, welche bislang nachts in tiefste Dunkelheit versanken, mit modernster LED-Lampentechnik und Solarzellen auszustatten. Dennoch zeichnet Köberlein noch ein zwiespältiges Bild eines Landes im Aufbruch: „Die Sanierung der völlig maroden Straßen landesweit wird wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Das Rohrleitungssystem der Wasserver- und -entsorgung war in Teilen entweder noch nie vorhanden oder ist Jahrzehnte alt und in einem entsprechend desolaten Zustand. Shirokivska hat keine Kläranlage, entsorgt wird in Gruben, in Flüsse oder direkt ins Land. Die Trinkwasserqualität ist folglich nicht mit unserer zu vergleichen, vielfach verwenden die Bewohner zusätzliche Wasserfilter, überwiegend wird Wasser jedoch in Plastikflaschen eingekauft. Daher besteht ein Großteil des anfallenden Mülls aus PET-Flaschen, welche letztendlich auf den legalen und illegalen Deponien landen. Kein Wunder, dass sich uns das System der Müllentsorgung am dramatischsten zeigte.“ Genau aus diesem Grund hatte Denis Korotenko „Connective Cities“ um Hilfe gebeten. Gemeinsam mit den Spezialisten und Verantwortlichen vor Ort versuchten die Experten aus Deutschland sinnvolle Lösungen zu entwickeln und sich mit den Leuten auszutauschen. „Wir besichtigten die Ortschaften, illegale Deponien, den Betriebshof und die legale Deponie der Großstadt Zaporisha mit angegliederter Sortieranlage, und Flächen, auf denen eine Kompost- und Sortieranlage und ein Wertstoffhof errichtet werden könnten“, so Köberlein.

Zum Start der Müllsammlung in Shirokivska wurde für jede Straße eine Tonne aufgestellt.

Zum Start der Müllsammlung in Shirokivska wurde für jede Straße eine Tonne aufgestellt.

Bürgermeister Korotenko hat das Ziel, seine nahe am Dnjepr gelegene Gemeinde touristisch attraktiv zu machen. Alle illegalen Deponien sollen geschlossen und zurückgebaut oder abgedeckt und rekultiviert werden. Um alternative Entsorgung zu bieten, sollen erstmalig Sammeltonnen in Straßen der Ortschaften aufgestellt werden. „Da es diese bislang überhaupt nicht gab, wird es noch viel Geschick und Überzeugungsarbeit benötigen, die Bevölkerung dafür zu motivieren diese zu benutzen und auch noch Geld dafür zu bezahlen. Das wird nur funktionieren, wenn man den Bewohnern geeignete und attraktive Alternativen bietet, und sie über clevere Methoden zum Mitmachen motiviert“, schöpft Köberlein aus einem reichen Topf an ihrer rund 30-jährigen Erfahrung aus der Abfallwirtschaft.

Köberleins Bilanz zu dem Besuch in der Ukraine ist rundweg positiv: „Ich bin beeindruckt, wie sehr die Einwohner der Ukraine bestrebt sind mehr aus ihrem Land zu machen. Ich halte einen solchen Austausch der Länder und Kommunen für unbedingt empfehlenswert. Mit eigenen Augen sieht vieles doch anders aus, als es sich aus der Ferne mit Worten darstellen lässt. Ein solcher Einsatz schafft zudem gegenseitiges Verständnis für Lebensweise- und Bedingungen des Anderen und für sein Verhalten. Schlicht, er ist völkerverbindend.“

Text & Fotos: Medieninformation Pressestelle Stadt Bamberg