Ein Abend voller humorvoll verpackter Wahrheiten
Bruder Ignazius alias Arnd Rühlmann freue sich nicht, die Damen und Herren da vorne auf der Anklagebank zu sehen. Gemeint waren Bambergs Politiker und Prominenz. Denn wenn er das bejahe, begänne er seine erste Fastenpredigt mit einer Lüge und das wolle er nicht. Trotzdem hatte er sichtlichen Spaß daran, Missstände des letzten Jahres aufzudecken, aber auch die guten Seiten von Bamberg zu verbalisieren.
„Wer Bier und Politik gemeinsam betreibt, versäumt für keines die Zeit und verstärkt den Genuss von beidem“ – so das Motto der nunmehr fünften Fastenpredigt am Samstag, 24. Februar, veranstaltet von AGIL e. V., Gasthaus & Brauerei Ambräusianum und Welcome Kongress Hotels Bamberg. Ein ganz besonderer Genuss war es dann auch, dem neuen Fastenprediger Gehör zu schenken. Arnd Rühlmann beeindruckte mit Einfallsreichtum, Wortwitz und rhetorischem Können. Das Publikum klebte an seinen Lippen und hatte während der kurzweiligen Rede richtig viel zu lachen. Dabei schaffte es Rühlmann immer, einen Bogen von der Satire hin zum Nachdenklichen zu spannen und brillierte hinter allem Humor mit großem Tiefgang.
Neuer Bruder – andere Predigt
Abgesehen vom einleitenden Glockenschlag und der Mönchskutte baute der neue Prediger seine Abrechnung mit der Bamberger Politik und Gesellschaft in anderer Art als sein Vorgänger Andreas Ulich, der Fastenpredigt eins bis vier bestritt, auf. Und so tragen die Predigten beider Schauspieler und Ausnahmekünstler jeweils ihre eigene Handschrift. Ignazius schlug Brücken zwischen landes- oder bundesweit übergeordneten Aspekten und Bambergers Lokalpolitik, kritisierte immer wieder Einzelprominenz, verwies aber auch auf allgemeine Missstände.
Top Thema: Der Ausfall der Sandkerwa
Natürlich war ein großes Thema die abgesagte Sandkerwa. Logisch, dass hier sofort der Name des Bamberger CSU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Müller fiel. Ungläubig schüttelte Ignazius den Kopf: „Ein CSU-Politiker, der sich gegen das Saufen ausspricht…ist dies zu glauben?“ und spielte damit auf Müllers Prekariats-Äußerung an. Auch Klaus Stieringer, Melanie Huml und weitere öffentliche Persönlichkeiten mussten sich Kritik gefallen lassen.
Viel Wortwitz, Hintergrund und Tiefgang
Mit großer Schlagfertigkeit, immer einem schelmischen Lächeln und bestem Hintergrundwissen hielt Rühlmann die etwa 500 Gäste im restlos ausverkauften Ziegelbau bei bester Laune. Auf die Schippe wurden so nicht nur die Politiker oder Ereignisse, wie Bahnausbau oder das hohe AfD-Wahlergebnis in der Gereuth genommen, sondern jeder Gast durfte sich auch an seine eigene Nase fassen und seine Meinung hinterfragen, wenn es um Bamberger Mentalität, Bier oder Touristenströme ging. „Bamberg ist ein besonderer Fleck Erde und wir alle können stolz sein, hier zu wohnen. Vielleicht sind aber trotzdem manchmal Menschen von außen eine Bereicherung. Denn auch Heinrich und Kunigunde waren net von do“, schloss Rühlmann seine gleichwohl ansprechende wie lebendige Rede. Mit diesen Sätzen spielte er auf seine hessische Herkunft (und auf die Berliner von Andreas Ulich) an, denn bislang kamen die Fastenprediger alle von außerhalb Frankens. Weiter gedacht ging es bei dieser Aussage aber auch um Tourismus und um Ausländer, um Toleranz und um ein Miteinander.
Ein hochbegeistertes Publikum applaudierte am Ende lange dem Prediger zu – zudem Standing Ovations für Arnd Rühlmann, der übrigens auch ein hervorragender Sänger ist. Umdichtungen von Songs wie „The Night They Drove Old Dixie Down“ zu „Am Dooch, als unner Kerwa starb“ oder „Goldfinger“ zu „Stieringer“ trieben so manch einem Zuschauer Lachtränen in die Augen.
Der Veranstaltungs-Erlös geht an das Welterbe Bamberg
Bürgermeister Wolfgang Metzner hatte die Veranstaltung eröffnet und mit den Initiatoren das Bierfass angestochen. Hieraus konnten die Gäste eine Zeitlang schöpfen. Ansonsten gab‘s Bier, Brezeln und Leberkäsbrötchen im Verkauf. Das fränkische Volksmusik-Ensemble FrankenDreier spielte in den Pausen auf. Der Erlös der Veranstaltung wird wie jedes Jahr gespendet und fließt 2018 zum 25 jährigen Jubiläum Welterbe Bamberg an die Welterbestiftung.