Konzerthalle stimmt in Engelsjubel ein

Konzerthalle stimmt in Engelsjubel ein
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Mit dabei: Sinfonietta Bamberg und erlesene Solisten und Chöre

Das Weihnachtsfest hat es nicht leicht: Es ist in Zeiten eines von den Wurzeln zunehmend abgekoppelten, verweltlichten und auf ein mit bestimmten Attributen und Klischees reduzierten Jahresend-Events (Geschenke, Glühwein, Konsum, Betriebsamkeit, Geschäft), nicht leicht, Weihnachtsbräuche bewusst zu leben und zu gestalten sowie weihnachtliche musikalische Traditionen und typische Weihnachtsmusik zu vermitteln, ohne vielleicht allzu sentimental, rückwärtsgewandt oder „uncool“ zu wirken.

Bamberger WeihnachtskonzertDass weihnachtliche Musik und Musizieren nicht nur mit Besinnlichkeit, „Stille Nacht“ und steifem Absingen vor dem Christbaum assoziiert werden muss, dafür können ausgelassene Freude, rhythmische Akzentuierung und Tanz bei anderen europäischen und außereuropäischen Völkern (etwa schon bei unseren tschechischen Nachbarn) als Beispiel dienen. Oder das altspanische Weihnachtslied „Riu riu chiu“ aus dem 15./16. Jahrhundert. Kann man Weihnachtsfreude in der Musik auch einem eher distanzierten Publikum vermitteln und es sogar zum Singen alter europäischer Weihnachtslieder begeistern, ohne in die Gefahr unbewussten Missionierens zu geraten? Dass es möglich ist, zeigte dieses Weihnachtskonzert unter dem Motto „Himmelskönig, sei willkommen“ – Text des Eingangschors der Bach-Kantate BWV 182, aus der zu Beginn die einleitende Sonata erklang.

Harald Strauss-Orlovsky wies in seiner gewohnt charmanten, witzigen, aber auch informativen Art der Moderation auf die beiden Sphären weihnachtlichen Musizierens hin: oben die prachtvolle Musik der himmlischen Chöre (Pauken und Trompeten), unten die verhaltenere Weihnachtsfreude der Hirten, repräsentiert durch das Spiel auf Schalmeien, das in der späteren Gattung der Pastorale aufgegriffen wurde. Musik mit „pastoralen“ Inhalten oder dem Vorkommen von Hirten im Text muss nicht ausdrücklich weihnachtlich sein, so wie etwa das von Martina Schilling (Sopran) berührend vorgetragene „Schafe können sicher weiden“ aus J.S. Bachs Jagdkantate. Martina Schilling brachte ihre sauber geführte Stimme auch im zweiten Teil im Dialog mit der Trompete (Johannes Trunk) zur Geltung, im Choral „Sei Lob und Preis in Ehren“ und dem abschließenden „Alleluja“ aus Bachs Solokantate „Jauchzet Gott in allen Landen“. Ein großes Lob gebührt in diesem Zusammenhang den Blockflöten-Solisten des Abends, Caroline Hausen und Justus Willberg – ihr lebendiges Spiel war nicht nur ein musikalischer Genuss, sondern auch eine optische Augenweide. Außer in Bachs Arie zeigten sie ihr Können auch in Johann Christoph Pez´s Concerto pastorale.

Bamberger WeihnachtskonzertWozu hat die Konzerthalle eine repräsentative Orgel, wenn man sie nicht spielt? Also spielte man sie. Markéta Schley Reindlová, die an der Jann-Orgel auch als Begleiterin der Arien, Concerti und Chorstücke kompetent und flexibel agierte, interpretierte virtuos, mit überzeugendem Spannungsbogen und differenzierter Artikulation J.S. Bachs populärstes Orgelwerk aus dessen „Sturm- und Drang-Zeit“, Toccata und Fuge d-moll BWV 565 – die Wirkung dieses „rauschenden“ Werkes möge die Tatsache nicht schmälern, dass Bachs Autorschaft inzwischen umstritten ist. Dennoch frage ich mich, ob man das Klischee von „der Toccata von Bach“ (er hat ja fünf Toccaten und Fugen für Orgel geschrieben) gerade an Weihnachten erneut bestätigen muss. Als Vorausschau auf Silvester vielleicht? Bach hätte ebenso fulminante Weihnachtsmusik für Orgel zu bieten. Andererseits ist es nötig, die in einer bestimmten thematischen Nische befindliche und durch Vorurteile (langsam, laut, kirchlich-streng, autoritär, langweilig) belastete „Königin der Instrumente“ überhaupt im außerkirchlichen Rahmen zu Gehör zu bringen, um Unwissenheit und Ignoranz selbst unter Musikfreunden entgegenzutreten.

Zusammen mit dem begeistert muszierenden Orchester, aber auch „a cappella“ war der homogen klingende Nürnberger Kammerchor unter Leitung von Sabine Hickmann vertreten, der auch zusammen mit den Kindersolisten des Bamberger Domchors und den Chorklassen der Maria-Ward-Realschulen die Weihnachtssinfonien „anführte“. „Chorisch“ war auch der „familiäre Kinderchor“ der Familie Strauss-Orlovsky, allesamt Mitglieder des Bamberger Domchors, mit „Jingle Bells“ vertreten, eine der Überraschungen außerhalb des offiziellen Programms.

Aber Moment mal, was ist denn eine Weihnachtssinfonie? Im Anschluss an die etwas zeitkritische Einleitung dieser Besprechung: Sie ist eine Möglichkeit der Rückkehr in die Kindheit und Jugend der Konzertbesucher, in der sie vielleicht öfter als heute bekannte Weihnachtslieder gesungen haben. In einer Weihnachtssinfonie werden die Konzertbesucher, zum Teil auf mehrere „Chorgruppen“ verteilt, aktiv in das Musiziergeschehen eingebunden, Parkett und Ränge werden somit Teil des (weihnachtlichen) Podiums. Formal zeichnet sich die Weihnachtssinfonie durch Harald Strauss-Orlovskys Lust am Arrangieren, Instrumentieren, Kombinieren sowie am Herausstellen motivischer Gemeinsamkeiten aus: wer hätte geahnt, welche Bezüge es etwa zwischen „O du fröhliche“ und Händels „Halleluja“ gibt, so dass es sinnvoll ist und Spaß macht, beide Werke miteinander zu kombinieren. Mehr Mut zum Mitsingen und Freude daran wäre im Publikum jedoch wünschenswert gewesen.

Text: Ulrich Theissen, Fotos: Markus Raupach