Premierelesung Tanja Kinkel“Grimms Morde“

Premierelesung Tanja Kinkel“Grimms Morde“
Buch Veranstaltungen

Ein märchenhafter historischer Roman, Krimi und Zeitzeugnis in einem

„Danke, dass Sie da sind, um das Kind aus der Taufe zu heben“, so begrüßte Spiegel-Bestsellerautorin Tanja Kinkel am Mittwochabend die Zuhörerschaft im gut besuchten Hübscher Buch & Medienhaus.

Zahlreiche Fans und Leser waren gekommen, um bei der Premieren-Lesung dabei zu sein. Asli Heinzel, Geschäftsführerin und Leiterin der Bamberger Buchhandlung führte in gewohnt sprachgewandter und natürlich erfrischender Art durch den Abend. Nach eigenen Aussagen waren beide – sowohl Buchhändlerin als auch Autorin – aufgeregt. Ob es an der Buchpremiere an sich oder an dem spannenden Stoff lag, ist nicht zu sagen. Wohl an beidem, denn nur beides in der Gesamtsumme gesehen machte den Abend zu einer erlebnisreichen Reise ins vorletzte Jahrhundert, welches nicht ganz so märchenhaft war wie die Sammlungen der Gebrüder Grimm.

Gefragt von Asli Heinzel, wie Tanja Kinkel ihre Literaturstoffe findet, antwortete diese, dass potenzielle Inhalte entweder unverhofft zu ihr kämen oder sie auch zu diesen. Das sei ganz unterschiedlich, erläuterte die in Bamberg geborene Autorin. Fakt ist jedenfalls, dass Tanja Kinkel alles, was sie anpackt, mit gründlichen Recherchen verbindet. Sie fängt bei Biografien oder Gesamtwerken an und arbeitet sich dann in Details vor. Insofern sind ihre Werke historisch bestens recherchiert und fundiert. Das gewisse literarische Geschick und das Spiel mit Worten machen dann den Roman zu dem, was er am Ende ist, nämlich zu einem spannenden, lebendigen, zuweilen amüsanten, aber auch die Gesellschaft und das Individuum widerspiegelnden Kunstwerk. „Grimms Morde“, Kinkels neuster Roman, zeichnet sich einmal wieder durch diese Attribute aus und fesselte die Zuhörerschaft bereits bei der Lesung.

Eine Frau ist ermordet worden – nicht in einem Märchen, sondern in Kassel des 19. Jahrhunderts!

Ort des Geschehens ist Kassel im März 1821. Gleich zu Beginn gibt es eine übel zugerichtete Leiche, die Heinzel der Schriftstellerin so nicht zugetraut hätte. Peu à peu tauchen zwei berühmte Geschwisterpaare auf, Wilhelm und Jakob Grimm und Jenny und Annette von Droste-Hülshoff. Es gibt Sympathien und Antipathien, Ängste und Freuden, Rollenzuweisungen und versuchte Ausbrüche aus ihnen. Es geht natürlich um Märchen und um deren Sammlung, um Wahrheit und Lüge, um Wirklichkeit und Schein, um Menschen und ihre Verhältnisse zueinander und – sonst wäre ein Krimi kein Krimi – natürlich auch um Mord.

Märchen und zwei der berühmtesten Geschwisterpaare der deutschen Literaturgeschichte

Konzentriert sitzt Kinkel am Lesepult und liest klar, Akzente setzend und professionell. Die Gäste im Hübscher Buch & Medienhaus können gut folgen, und sie können förmlich das etwas verstaubte Grimm Geschwisterpaar in ortsansässigen Archiven oder die quirligen Schwestern Droste-Hülshoff in ihrer Kutsche vor ihrem geistigen Auge sehen.

Sehr gekonnt und fundiert findet Kinkel die Überleitungen zwischen den ausgewählten Testpassagen. Sie teilt Wissen mit und leitet flüssig zur nächsten Episode über. Natürlich endet die Lesung dort, wo es spannend ist. Heinzel bemerkt zum Schluss: „Ich kann Ihnen jetzt schon verraten, dass es bei der einen Leiche aus der Anfangsfrequenz nicht bleibt.“

Zum Schluss zaubert Kinkel noch ein Blatt aus ihrer Tasche und verliest eine Art „Bonustrack“, ein Gedicht, was im Roman nicht veröffentlicht ist. Hier hat sie Märchenzitate und -sentenzen zusammengereimt.

Jeder von uns kann etwas tun

Die Stoffe aus Kinkels Romanen sind gleichermaßen leicht und schwer, unterhaltsam und hintergründig. Kein Wunder, ist sie doch eine bewusste Frau. 1992 gründete sie die Kinderhilfsorganisation „Brot und Bücher e. V.“, um sich so aktiv für eine humanere Welt einzusetzen. Außerdem ist sie Schirmherrin vom Bundesverband Kinderhospiz e. V. und Beisitzerin im PEN-Zentrum Deutschland. Ihre Devise: „Es ist zwar immer leichter, wegzuschauen. Aber jeder von uns kann etwas tun.“ Insofern hatte sie den Applaus des Publikums nicht nur wegen ihres neuen Romans auf ihrer Seite.

Fotos: Frank Märzke